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|28 Jun 2012|System User

Auf der Suche nach dem 4. Kanban-Prinzip

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Was folgt aus dem bisher Geschriebenen für das Veränderungsmanagement mit Kanban? Welche Formen der Führung sind notwendig, um eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung zu schaffen? Es lassen sich aus dem bisher Dargestellten drei wesentliche Schlüsse ziehen. Im Change Management geht es heutzutage vor allem um die

  • aufmerksame Wahrnehmung dessen, was in der Organisation vor sich geht,
  • professionelle Kommunikation nach außen wie nach innen, d.h. mit allen Stakeholdern über Unternehmensgrenzen, Hierarchiestufen oder Fachabteilungen hinweg,
  • agile Gestaltung des Veränderungsprozesses unter Einsatz von State-of-the-Art-Methoden.

Kuriose Selbstbilder

Es geht aber auch um die persönliche Wahrnehmung, vor allem auch vom Management. Der Wiener Organisationsberater Rudi Wimmer definiert den Erfolg eines jeden Veränderungsprozesses mit der Bereitschaft des Managements mit der Wahrnehmung bei sich zu beginnen (Organisation und Beratung: Systemtheoretische Perspektiven für die Praxis, Wimmer 2004). Erst die Einsicht des Managements, dass es sich selbst nicht als Change Agent propagieren kann, ohne zugleich nach der notwendigen Veränderung der eigenen Führungsleistung zu fragen, schafft die Grundlage für erfolgreichen Wandel. Das ist meiner Beobachtung nach jedoch alles andere als selbstverständlich. Dies bestätigt auch eine Umfrage unter 1.100 britischen First Line Managern: 72 Prozent der Befragten zweifeln niemals an ihren eigenen Führungsfähigkeiten und die Selbstüberschätzung geht weiter: 80 Prozent der Führungskräfte würden sich selbst zu den besten 20 Prozent zählen. (Kunst des Entscheidens: Ein Quantum Trost für Zweifler und Zauderer, Ortmann 2011)

Doch was steckt hinter solchen kuriosen Selbstbildern? Es liegt nahe zu vermuten, dass es die Altlasten eines mechanistischen Organisationsbildes sind, mit einem Führungsmodell, das sich weder mit kritischer Selbstreflexion abmüht noch mit angemessener Bescheidenheit. Dem Unternehmen als Maschine entspricht der Manager als Mechaniker und Verwalter.

Führung als Teamsport

Im 21. Jahrhundert, so die Quintessenz der zeitgenössischen Management- und Führungsdebatten, weicht command and control einer Kultur, die Selbststeuerung respektiert, ohne den gesamtorganisatorischen Koordinationsbedarf aus den Augen zu verlieren. An die Seite des hierarchischen Managements treten neue Formen netzwerkartiger Führung, um die vorhandenen Expertisen, insbesondere hinsichtlich einer akkuraten Wahrnehmung der Umweltdynamik optimal zu nützen. „Führung als Teamsport“ wird zum Schlüsselfaktor.

Wie das Bild illustriert, zeigt das Konzept des Führungsteamsports zumindest zwei notwendige Veränderungen an: Erstens muss der Zentralismus traditioneller Führung überwunden werden und zweitens die Einseitigkeit von Kommunikations- und Entscheidungswegen.

(Change) Leadership muss auf allen Ebenen der Organisation gefördert werden – angefangen bei den operativ tätigen MitarbeiterInnen bis hin zum Senior Management.  Das 4. Kanban-Prinzip.

Michael Leber
29 Jun 2012 09:44

Hallo Klaus,

Schliesse mich Deiner Meinung an, dass sich Führung im System und nicht an einzelnen Knotenpunkte der Aufbauorganisation stattfinden muss. Das Wissen um die Leistungserstellung ist idR in den Teams zu finden. Ob Führung selbst dann tatsächlich Teamaufgabe ist? – ggf wird man fliessende Übergänge feststellen können.

Wenn auch Führung in einer komplexen Organisation häufig immer noch Aufgabe von „Führungskräften“ sein dürfte, die Rahmenbedingungen für jene schaffen, die letztlich komplexe Aufgabenstellungen in multi-funktionalen Teams umsetzen. Damit wird den Teams auch nicht plötzlich eine Aufgabe „umgehängt“, die sie sich idR auch nicht erträumt haben.

Da ich hinter Führung mehr visionsartige, innovationsorientierte und situative Gestaltung der Rahmenbedingungen komplexer Systeme sehe, gefällt mir die Metapher des “Gärtners” besser als die des “Sportlers”, die zum irreführenden Gedanken verleitet, man könne systemische Führungssituationen quasi leistungsorientiert durch genügend Ehrgeiz und Übung „herstellen“

Das Phänomen derartiger Führung und selbstorganisierter Teams nehme ich aber bereits im 20. Jahrhundert wahr. Haben sich schon die Kybernetiker wie zB H. v. Förster mit Selbstorganisation und deren Bedeutung für Management intensiv auseinandergesetzt, so haben Argyris und Schön Ende der 70er, Takeuchi und Nonaka etwas später die Bedeutung und den Status Quo der lernenden Organisation dargestellt.

Wenns dann in den 90ern zwar intensive Ausflüge ins Business Process Reengineering, BPM etc gab, glaube ich, dass rein hierarchisch angelegte Führungssystem nach reinem „cmd & ctrl“-Mustern gar nicht mehr so oft anzutreffen sind, wie wir befürchten. Ich glaube, dass wir da öfter und differenzierter hinsehen sollten.

Kaizen mag angesagt sein. Aber ich glaube, dass wir schon viel länger in zahlreichen Unternehmen und auf vielen Ebenen vom starren Einbahnsystem des Zentralismus weg sind. Und ich freue mich, dass wir auf immer mehr „Amazing Companies“ verweisen können (siehe die Stoos-Bewegung mit Jurgen Appelo, Steve Denning et. al.)

Lg, Michael

Klaus Leopold
29 Jun 2012 13:23

Hi Michael!

(*) Mit “Führung als Teamsport” meine ich nicht, dass nur die operativ tätigen MitarbeiterInnen Führungsverantwortung übernehmen sollen! Führungskräfte sind Teil des Ganzen – Teil des Systems – und somit Teamplayer in meiner Analogie. Ich orte jedoch häufig, dass es an kritischer Selbstreflexion fehlt und dass sich manche Führungskräfte nicht als Teil des Systems und somit auch nicht als Teil des Problems sehen. Deswegen der “Aufruf” bei der Selbstwahrnehmung zu beginnen. Und ich bin überzeugt, dass Management benötigt wird…

(*) Multifunktionale Teams können auch eine Lösung sein – natürlich! Ich plädiere jedoch dafür, zuvor das Problem zu diagnostizieren, bevor Lösungen wie multifunktionale Teams, Agile, Scrum oder Kanban vorgeschlagen werden (siehe auch hier: http://www.klausleopold.com/2012/05/die-logik-des-misslingens-von.html).

(*) Über Metaphern kann man wahrscheinlich lange diskutieren – ich bin mit dem “Gärtner” nicht so happy, da er für mich nicht wirklich Teil des Systems Garten ist. Er gibt extrinsische Impulse in Form von gießen, pflegen, usw. und das wahrscheinlich sogar mit viel Liebe und Mühe – er ist aber trotzdem nur “Zaungast”. Bei “Teamsport” ist der Kapitän jedoch Teil des Systems.

(*) Im Beitrag “Kanban Change und Organisationsbilder” (http://www.klausleopold.com/2012/05/veranderung-und-organisationsbilder.html) betone ich explizit, dass die Organisationsbilder “mechanistisch” und “systemisch” als zwei Pole anzusehen sind und zwischen den beiden Polen spielt sich irgendwo die Wirklichkeit ab. Soll heißen, die Welt ist vielfältiger als Schwarz und/oder Weiß – es gibt für mich also nicht das rein mechanistische Organisationsbild, dass auf reinem Command & Control beruht, gleich wenig wie die “Amazing Companies” bei denen alles super gut funktioniert, wo sich alle lieb haben und jeder machen kann, was er will und das bei extrem hohen (wirtschaftlichen) Erfolg. Ein Spannungsfeld zwischen Polen aufzubauen dient meiner Meinung nach einer Simplifizierung zur besseren Standortbestimmung – der Standort ist jedoch in den wenigsten Fällen direkt an einem Pol. Wir wissen ja (vor allem aus der Betriebswirtschaft), dass sich fast jedes Problem in einer 2×2-Matrix darstellen lässt 😉

Cheers,
Klaus

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