Ampel, reloaded
Bei Ultimate Software in Florida gibt es ein interessantes Ampelsystem. Die Ampellogik funktioniert basierend auf einem probabilistischen Forecast: Beträgt die Wahrscheinlichkeit 90 Prozent oder mehr, dass das Team das Backlog bis zum Releasetermin abarbeitet, steht die Ampel auf Grün. Auf Gelb bei einer Wahrscheinlichkeit zwischen 70 und 90 Prozent und auf Rot bei einer Wahrscheinlichkeit von 0 bis 70 Prozent. Das hat den großen Vorteil, dass man immer und vor allem frühzeitig den tatsächlichen Zustand eines Projekts völlig transparent erkennen kann. Niemand kann den Stand der Dinge beschönigen – nur was fertig ist, macht die Ampel grüner. Es zahlt sich übrigens definitiv aus, die Ultimate Case Study von Steve Reid, Prateek Singh und Dan Vacanti zu lesen.
Wie ihr euch wahrscheinlich vorstellen könnt, ist das Thema Forecasting in meinen Trainings immer ein vieldiskutiertes Thema. Und man kann es drehen und wenden wie man will: Obwohl damit in den seltensten Fällen überschwänglich positive Erfahrungen verbunden sind, stehen die Leute auf Projekt-Ampeln.
Das kann ich verstehen, und gerade weil die Ampel so beliebt ist, würde ich sie gerne auf den Kopf stellen. Die Schwierigkeit ist doch (und eigentlich ist es sogar vollkommen schräg): Man startet ein Projekt mit Grün, obwohl zu diesem Zeitpunkt die höchste Unsicherheit besteht. Damit die Sache noch etwas schwieriger wird, sind die Anreize für Projektmanager mit dem Status Grün verknüpft. Je länger man die Grünphase halten kann, desto besser ist der Projektleiter. Wenn man die Schwierigkeiten nicht mehr vertuschen kann, springt die Ampel auf Rot – zwei Wochen vor Projektende. Jetzt hat man natürlich keine Zeit mehr zu reagieren und das Projekt wird gekonnt an die Wand gefahren.
Was passiert de facto in den meisten Projekten: Weil die Projekte auf Grün starten, sind die Verantwortlichen in der ständigen Versuchung, das Risiko nach hinten zu puffern. Wie gesagt, ist der Projektbeginn die Phase der höchsten Unsicherheit. Also starten wird doch einfach auf Rot, wenn wir die Ampel unbedingt haben wollen! Dann heißt es nämlich, zu arbeiten und die Arbeit immer wieder genau anzusehen, damit die Ampel auf Grün springt und auch grün bleibt. Die Fortschritte, genauso aber die Probleme werden dann rechtzeitig sichtbar und man kann die Risiken adressieren.
Was meint ihr? Was hindert uns daran, die Ampel umzudrehen?