Zurück
|08 Oct 2025|Klaus Leopold

Flight Levels braucht kein Organigramm

0

Ich sitze mit einem potentiellen Kunden zusammen, der mir voller Stolz zeigt, wie er vorhat, Flight Levels in seiner Organisation einzuführen. Ich bin gespannt. Er öffnet eine PowerPoint-Präsentation und zeigt mir stolz das Ergebnis:

  • Flight Level 1? Die Teams! Aus dem Organigramm übernommen. Jedes Team soll ein eigenes Flight Level 1 System bekommen.
  • Flight Level 3? Natürlich die Geschäftsleitung! Wer sonst sollte sich um Strategie kümmern?
  • Flight Level 2? Tja, das sind dann die Abteilungen, in denen die Teams organisiert sind. Jede bekam ein eigenes Flight Level 2 – sauber getrennt, genau wie im Organigramm.

Ich betrachte das Werk. Es ist wunderschön. Es ist ordentlich. Auch richtig fescher Font und so. Es ist… der PowerPoint-Traum eines Organisations-Theoretikers, aber ein Alptraum für einen Mensch aus der Praxis, der Fokus auf Wertschöpfung legt.

Ich brauchte nur eine Frage, um den Träumer zu wecken: „Cool, das heißt, eure Abteilungen sind alle so organisiert, dass sie für sich allein echten Wert für den Kunden liefern können, korrekt?“

Langes Schweigen. Dann die Antwort: „Nein, natürlich nicht. Wir brauchen oft bis zu sieben Abteilungen, um Änderungen an unseren Produkten vorzunehmen!“

Flight Levels sind keine Organisationsstruktur

Flight Levels sind kein Abbild der Aufbauorganisation, sondern eine Straßenkarte für die Arbeit. Sie zeigen nicht nur, wo Teams sitzen, sondern wo sich der Wert bewegt – und wo der Fluss ins Stocken gerät. Ein Organigramm listet die Fahrer auf, aber Flight Levels zeigen dir, wo der Verkehr stockt und wo du effizienter fahren kannst.

Arbeit bewegt sich nicht innerhalb von Abteilungsgrenzen. Arbeit springt über Team-, Abteilungs- und Bereichsgrenzen hinweg und landet dann im Abhängigkeitschaos. Genau dieses Chaos soll Flight Level 2 auflösen – nicht die bestehende Struktur abbilden.

Wie Flight Level 2 wirklich entsteht

Der eigentliche Startpunkt ist nicht das Organigramm, sondern die Realität der Arbeit. Ein Team stellt fest: „Mist, wir haben ständig Abhängigkeiten zu anderen Teams.“ Anstatt weiter in Silos zu arbeiten, tun sie etwas Schlaueres:

Sie setzen sich mit den anderen Teams zusammen, designen ein Flight Level 2 und koordinieren sich siloübergreifend damit.

Aber Moment – müssen sie sich jetzt neu organisieren? Eine neue Abteilung gründen? Einen Tribe aufbauen? Nein. Die Teams bleiben genau da, wo sie sind.

Flight Level 2: Die virtuelle Organisationsstruktur

Ein Flight Level 2 System ist eine Visualisierung der Arbeitsvorgänge mit einem Set von selbst definierten Policies, wo sich Menschen koordinieren, um gemeinsam ein Produkt, einen Service, eine Plattform oder etwas anderes zu entwickeln, das Kundenwert liefert.

Teams müssen sich dafür nicht neu formieren. Sie treffen sich einfach vor dem Flight Level 2 Board, um ihre Arbeit abzustimmen.

Statt ein neues Organigramm zu zeichnen, das in drei Monaten wieder aus der Zeit gefallen ist, schafft Flight Level 2 eine dynamische, wertorientierte Sicht auf die Realität.

Flight Level 3: Wo fliegen wir eigentlich hin?

Irgendwann kommt die Frage auf: „Wir koordinieren uns wunderbar – aber wissen wir überhaupt, wohin wir steuern?“

Das ist genau der Zeitpunkt, wo ein Flight Level 3 System entsteht. Es bringt Strategie und Umsetzung zusammen. Und wer baut dieses Flight Level 3 und arbeitet dann dort? Die Leute aus den Flight Level 2 Systemen. Und in den Flight Level 2 Systemen stehen die Leute aus den Flight Level 1 Systemen – also aus den Teams. Das bedeutet: Auch jemand aus einem Team kann an einem Flight Level 3 beteiligt sein. Strategie ist nicht nur eine Sache der Geschäftsleitung – es gibt auch Produktstrategien, Marketingstrategien, technologische Richtungsentscheidungen und mehr.

Flight Levels sind keine Hierarchie

Der Kunde lehnt sich zurück, runzelt die Stirn – und lacht dann plötzlich. „Also braucht Flight Levels eigentlich gar kein Organigramm?“

Genau. Flight Levels beschreibt nicht, wer wo sitzt – sondern wer mit wem arbeiten muss, damit Wert entsteht.

Natürlich gibt es Rollen, die für bestimmte Flight Levels prädistiniert sind – eine Geschäftsleitung wird oft auf einem Flight Level 3 anzutreffen sein, das sich mit der Unternehmensstrategie befasst. Falls nicht, stellt sich unweigerlich die Frage, womit sich die Geschäftsleitung eigentlich beschäftigt. Ähnlich ist es mit Produktverantwortlichen auf Flight Level 2 – wenn sie dort nichts zu suchen haben, wer dann? Aber: Das bedeutet nicht, dass man mit Flight Levels einfach das Organigramm nachbaut. Das ist Thema verfehlt! Es geht darum, wer mit wem zusammenarbeiten muss, um echten Wert zu schaffen – unabhängig von formellen Strukturen.

Flight Levels sind eine Denkweise

Es geht darum, sichtbar zu machen, wie in einer Organisation gearbeitet wird, um dadurch ganz konkrete, kontext-spezifische Probleme zu identifizieren und zu lösen. Diese Sichtbarkeit kann natürlich dazu führen, dass man irgendwann auch das Organigramm anpasst – aber nicht, weil irgendein Framework oder eine Methode es vorschreibt, sondern weil man für die eigene Situation erkannt hat, was wirklich funktioniert.

Das ist der entscheidende Punkt: Flight Levels ist keine Methode, die dir sagt, wie du aufgestellt sein musst. Flight Levels helfen dir, zu verstehen, wo deine Organisation sich selbst im Weg steht. Mit diesem Wissen kannst du gezielt Verbesserungen vornehmen – nicht nach einem theoretischen Modell, sondern auf Basis deiner realen Herausforderungen und Chancen in deiner Organisation.

Und genau das ist dein Wettbewerbsvorteil. Denn während andere stur irgendwelchen Frameworks folgen, entwickelst du eine echte Situational Awareness und findest die beste Lösung für dein Unternehmen – statt blind einem Lehrbuch zu vertrauen, das für eine völlig andere Realität geschrieben wurde.

Bisher keine Kommentare.
Dieser Unterhaltung fehlt Deine Stimme:
Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.