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|09 Feb 2017|Klaus Leopold

Wertvolles Priorisieren

Risiko
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Mit dem Priorisieren von Aufgaben bzw. Arbeiten ist das so eine Sache. Meistens wird Arbeit erst priorisiert, wenn sich die Arbeit bereits im System befindet und das führt sehr oft zu ständigen Repriorisierung. Die Kriterien der Repriorisierung bleiben dabei meist unklar, und häufig haben diese Kriterien ausschließlich mit der Angst vor Konsequenzen zu tun. Doch angenommen, die Dringlichkeit wird sinnvollerweise bereits eingestuft, bevor die Arbeit ins System gelangt: Welchen Ansatz sollte man dazu verwenden?

Am sinnvollsten ist ein ökonomischer Ansatz. Aus den Erzählungen und Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in meinen Trainings höre ich heraus, dass es in vielen Unternehmen durchaus erste ökonomische Ansätze für die Priorisierung von Aufgaben gibt. Diese Ansätze sind nur noch nicht ganz fertig gedacht. Als Priorisierungswerkzeug wird in diesen Fällen der Wert – oder „Business Value“ – herangezogen. Das ist schon einmal eine gute Idee, sie führt mich aber sofort zu der Frage: „Und wie macht ihr das?“ Die Antwort darauf lautet meistens: „Die Arbeiten mit hohem Wert werden zuerst, jene mit niedrigem Wert später umgesetzt.“ Klingt logisch, oder? Ja, solange man nicht darüber nachdenkt, wie lange es braucht, um die betrachteten Arbeiten umzusetzen. Wenn Arbeit X einen hohen Wert einbringt und vier Wochen für die Umsetzung braucht, während Arbeit Y den gleichen Wert in zwei Wochen einbringt – welche Arbeit setzt man dann zuerst um? Sinnvoller ist es wahrscheinlich, zuerst Arbeit Y abzuschließen, denn vereinfacht gesagt bringt Arbeit Y das Geld schneller in die Kasse. Wenn wir den Wert als Priorisierungsmerkmal heranziehen, müssen wir ihn immer in Relation zur Umsetzungszeit der einzelnen Arbeit betrachten.

2017-01-Blog-KAP-BKK - 2Gehen wir noch einen Schritt weiter: Ist der Wert eine statische Größe? Schokonikoläuse verkaufen sich zu Ostern echt schlecht – das heißt, der Wert einer Arbeit kann sich im Laufe der Zeit verändern oder er kann, etwa saisonbedingt, nur zu bestimmten Zeitpunkten bzw. innerhalb bestimmter Zeitspannen seine volle Höhe erreichen. Die Veränderung des Werts im Zeitverlauf sollte in einem Priorisierungsverfahren daher unbedingt berücksichtigt werden. Jetzt haben wir alle Ingredienzien für die Priorisierung auf Basis von Verzögerungskosten (Cost of Delay):

  • Wie hoch ist der Wert einzelner Arbeiten?
  • Wie lange braucht es, um die einzelnen Arbeiten umzusetzen?
  • Wie verändert sich der Wert dieser Arbeiten im Zeitverlauf?

Die Verzögerungskosten (Cost of Delay) sind jene Kosten bzw. wirtschaftlichen Auswirkungen im Zeitverlauf, die entstehen, wenn sich die Fertigstellung einer Arbeit verzögert bzw. nicht rechtzeitig auf Marktchancen reagiert wird. Zu den Verzögerungskosten zählen nicht nur tatsächlich anfallende Kosten, sondern vor allem entgangene Einnahmen, und sie fallen an, egal ob an einem Projekt gearbeitet wird oder nicht. Um Aufträge in eine wirtschaftlich sinnvolle Reihenfolge der Abarbeitung bringen zu können, werden die Verzögerungskosten quantifiziert, also in konkreten Geldbeträgen dargestellt. Verzögerungskosten beziehen sich immer auf wertgenerierende Elemente (auslieferbare Einheiten), die dem Kunden einen konkreten Nutzen bringen. Sie sind eine Funktion des Werts, den eine Arbeit generieren kann, und der Dringlichkeit.

Ich empfehle, die Verzögerungskosten initial zu verwenden – also wenn damit begonnen wird, ein Kanban-System tiefgreifender zu gestalten. Was meine ich damit? Die Menschen, die einzelne Umsetzungsoptionen beurteilen, lassen in ihre Bewertungen auch noch andere Kriterien einfließen, da es mehrere Risiken abzuwägen gilt. Solange man in einem Kanban-System allerdings noch keine anderen Informationen oder Messungen zur Verfügung hat, ist es allemal besser, mit den Verzögerungskosten zu arbeiten, als wieder in die alten Priorisierungsspielchen zurückzufallen.

Kanban Praxis BuchMehr über die Arbeit mit Verzögerungskosten erfahrt ihr übrigens in meinem neuen Buch „Kanban in der Praxis – Vom Teamfokus zur Wertschöpfung“.

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