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|17 Aug 2012|System User

Blockaden Cluster: Probleme sind keine singulären Ereignisse

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Ein Kanban-System ist ja so freundlich und zeigt uns, wo es Probleme gibt. In Verbindung mit WIP-Limits ist es sogar noch viel freundlicher und sagt uns sogar, dass wir die Probleme JETZT lösen sollen, bevor wir neue Arbeiten starten. Sehr schön! Genau das machen dann auch viele Unternehmen – sie lösen Probleme. Ich versuche Unternehmen jedoch davon zu überzeugen, dass sie noch mehr machen sollen: die Ursachen der Probleme zu lösen. Den ersten Schritt in diese Richtung macht man, in dem man die Blockaden-Tickets vom Kanban-Board nicht wegwirft sondern neben dem Board z.B. auf einem Flipchart sammelt.

ncm.at wertet Blockaden aus

Genau das hat auch die Internetagentur ncm.at gemacht. Als ich wieder mal zu einer Retrospektive eingeladen war, kam dann die Frage: “Was machen wir jetzt mit unseren gesammelten Blockaden eigentlich?” Die Antwort lag natürlich auf der Hand: “Clustern und auswerten!” Dann ging es auch schon los. Wir suchten ähnliche bzw. gleiche Blockaden und formten Gruppen aus ihnen. Zuerst bildeten wir zwei große Gruppen: intern und extern. Interne Blockaden sind von uns verursachte, die wir selbständig lösen können. Wir warten zum Beispiel bis ein Server konfiguriert ist, haben eine Abhängigkeit zu einer anderen Aufgabe entdeckt, ohne der wir nicht weiterarbeiten können, etc. Externe Blockaden liegen nicht in unserem direkten Einflussbereich. Wir warten zum Beispiel auf einen Lieferanten oder auf Daten von einem Kunden usw.

Diese erste grobe Clusterung war schnell gemacht, hat aber – wenig überraschend – noch sehr wenig gebracht. Also zoomten wir mal in die beiden Cluster rein. Bei den externen Blockaden hat sich sehr schnell herausgestellt, dass es nur die beiden Kategorien Kunde und Lieferant gibt. Das hängt damit zusammen, dass bei ncm.at von der Projektleitung bis zum Betrieb alles “kanbanisiert” ist und somit viele Probleme sehr rasch intern gelöst werden können. Bei den internen Blockaden ergab sich schon ein etwas vielfältigeres Bild: Wir identifizierten die folgenden Cluster: Server, Anderes wichtiger, Michael, Tickets und Irgendwas. Die Cluster Michael und Anderes wichtiger fand ich sehr gelungen: Sie beschreiben Arbeiten, die aufgrund von Zuruf der Projektleiter oder von Michael – dem Inhaber – unterbrochen wurden, weil etwas anderes in diesem Moment wichtiger war. Es handelt sich meistens um Opportunitäten, die genutzt wurden. Im Cluster Irgendwas landeten alle Blockaden, die nur einmal auftraten und die somit nicht gruppiert werden konnten.

Was kosten Blockaden?

Als nächstes führten wir eine Analyse durch, wie viel an Durchlaufzeit der jeweilige Blockaden-Cluster gekostet hat. Löblicherweise erfassen die Leute von ncm.at nämlich die Anfangs- und Endzeit einer Blockade, womit das natürlich eine sehr einfach Aufgabe war. Es ergab sich folgendes Bild:

Es stellte sich heraus, dass viele Blockaden wenig an Durchlaufzeit kosten. Es fiel jedoch auch sofort auf, dass die Wartezeit auf Kunden einen richtig großen Patzen ausmachte – nämlich 130 Tage. Man sollte an dieser Stelle wissen, dass ncm.at zum Zeitpunkt dieser Auswertung gerade mal 6 Wochen Kanban machte! Es herrschte sofortiger Konsens darüber, dass wir etwas unternehmen müssen: 130 Tage Wartezeit in nur 6 Wochen ist wirklich nicht wenig. Gesagt, getan! Wir holten Michael (den Inhaber von ncm.at) zu unserer Retrospektive dazu und zeigten ihm das Bild. Wir mussten gar nicht viel erklären. Der alleinige Anblick des Blockaden-Clusters startete eine kreative Diskussion, wie man diese Wartezeiten reduzieren könnte. Das Resultat waren neue Regeln, wie mit diesen Blockaden umgegangen wird; wann, wer, wie, wen informiert – Eskalations-Regeln.

Blockaden sind keine singulären Ereignisse

Es stellt sich immer wieder heraus, dass Blockaden keine singulären Ereignisse sind, sondern systemische Ursache haben. Deswegen empfehle ich dringend, die Blockaden zu sammeln und in regelmäßigen Abständen zu analysieren. In den meisten Fällen reicht eine kleine systemische Änderung aus, um wirklich große Verbesserungen zu erzielen. Und die systemische Änderung ist in vielen Fällen sogar so trivial wie “Wir sollten Karl zu unserem Daily Standup einladen.” Kein Mensch arbeitet durch diese Änderung anders oder schneller; die Arbeit wird jedoch schneller fertig. Deming lässt grüßen! Aber dazu ein anderes Mal mehr…

Das ncm-Beispiel ist einem Punkt speziell. Normalerweise empfehle ich, zuerst auf die internen Blockaden-Cluster zu fokussieren, da das Kehren vor der eigenen Tür meist viel einfacher funktioniert. Das war bei ncm.at jedoch nicht wirklich zielführend, da unser Analyse ein maximales Einsparungspotential von ca. 30 Tagen bei internen Blockaden ergeben hat – wenn ALLE internen Cluster beseitigen würden. Somit war das Eliminieren EINES externen Clusters mit 130 Tage effektiver.

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