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|06 Mar 2012|Klaus Leopold

White Noise – Ein Igel bändigt die Stimmen aus dem Hintergrund

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Wenn ich mit Teams einen Workshop zum Kanban Systemdesign mache, tritt spätestens bei der Definition der Arbeitstypen die Frage auf „Was landet eigentlich auf unserem Kanban-Board?“ Wenn ich mit „alles woran ihr arbeitet“ antworte, dauert es ziemlich genau zwei Nanosekunden, bis der oder die Erste ca. so darauf reagiert: „Ständig kommt irgendwer und will, dass wir uns kurz mal etwas anschauen. Wenn wir dafür jedes Mal ein Ticket ans Board hängen, mag das vielleicht sport-technisch gesehen sehr gesund sein, da wir uns viel bewegen aber das kann doch wohl nicht die Lösung sein…“
Natürlich wäre es ein Weg, allen Stakeholdern klipp und klar zu sagen, dass das Team ab morgen nur noch Arbeiten annimmt, die den regulären Weg über das Queue Replenishment Meeting gegangen sind. Außer Entsetzen, kräftigem Widerstand und unhöflichen Fingergesten würde eine solche Ansage aber wahrscheinlich wenig bringen.

Ich sehe es sehr häufig, dass Teams im Laufe eines Arbeitstages mit Zwischendurch-Aufträgen „gefüttert“ werden, die es im regulären Kanban-Betrieb nie aufs Board schaffen würden, weil sie vielleicht „nur“ wenige Minuten oder Stunden verbrauchen, aber trotzdem nicht weniger wichtig sind. Ich nenne diese Art von Aufträgen „White Noise“ – Hintergrundrauschen.

Das eigentliche Problem beim White Noise ist exakt das Gleiche wie bei allen anderen Aufgaben in der Wissensarbeit: Es ist für die Auftraggeber und für das Team nicht sichtbar, wie sehr dieses Hintergrundrauschen das System belastet und wann der kritische Punkt erreicht ist, von dem an alles andere schwerwiegend blockiert wird. Der beste Weg ist daher, mit White Noise genau das Gleiche wie mit allen anderen Aufgaben zu machen: Wir machen es sichtbar und damit messbar und begreifbar.

Viele Teams verwenden dafür selbstklebende, wieder entfernbare Indexmarkierungen, die man normalerweise für das schnelle Wiederfinden bestimmter Stellen in Büchern oder Dokumenten verwendet. Diese Markierung entspricht z.B. einer Zeitspanne von 15 Minuten. Bevor das Team damit beginnt, kommuniziert es allen Stakeholdern, die direkt mit dem Team arbeiten, was die Markierungen bedeuten. Danach passiert Folgendes: Jedes Mal, wenn ein Teammitglied einen White-Noise-Auftrag bekommt, klebt es so viele Markierungen auf seinen Monitor, wie es der Dauer des Auftrags entspricht. Und zwar nicht nur für sich selbst, sondern für alle gut sichtbar. Im Laufe des Tages sitzen die Teammitglieder nicht mehr vor Monitoren, sondern vor bunten Igeln. Schon dieses visuelle Signal der bunten Indexstreifen bewegt viele dazu, das tatsächliche Ausmaß kurzfristiger Aufträge genauer zu überdenken.

Auch wenn das Hintergrundrauschen nicht am offiziellen Kanban-Board, sondern auf den Monitoren der Teammitglieder visualisiert wird, kann man Limits einführen. Das Team kann sich selbst zum Ziel setzen, dass pro Mitglied nur eine bestimmte Menge an White Noise bearbeitet werden darf – zum Beispiel sollen maximal zwei Stunden pro Tag dafür verbraucht werden. Wenn wir dabei bleiben, dass ein Indexstreifen 15 Minuten entspricht, ist nach acht Streifen Schluss. Auch hier unterstützt die Visualisierung die Argumentation gegenüber den Geräuschemachern.

Damit hier keine Missverständnisse auftreten: Es geht nicht darum, White Noise vollkommen zu eliminieren. Wie gesagt handelt es sich dabei um durchaus wichtige Aufgaben, die erledigt werden müssen. Das primäre Ziel ist es, für alle Beteiligten transparent zu machen, was ein System auf welche Art und Weise und in welchem Ausmaß beeinflusst.

Der Umgang mit White Noise ist übrigens ein Punkt, der unbedingt in den Regeln des Teams festgehalten werden muss!

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